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Glückstadt – Eine polygonale Radialstadt

Dauerausstellung

Voraussetzung für die Gründung Glückstadts war die Eindeichung der nördlichen Königlichen, jetzt Blomeschen und der südlichen Gräflichen, jetzt Engelbrechtschen Wildnisse 1615/16. Die beiden Landesherren Christian IV., König von Dänemark und Herzog von Holstein und Ernst III., Graf von Schauenburg ließen von März bis August 1615 einen 7 km langen Deich von Ivenfleth bis an das Herrenfeld errichten. Auf dem bei Hochwasser stets überfluteten tiefliegenden Grasland der Flussmarschen lagerten sich Sinkstoffe ab. Daraus bildete sich der Fruchtbare Mutterboden, der sich zusammen mit dem günstigen Klima ideal für den Gemüseanbau eignet. Insgesamt waren 2.000 Schiebkarren (einrädrige Karren) für den Bau dieses Deiches notwendig.

Die Planstadt Glückstadt ist im gesamten deutschen Sprachraum das einzige Beispiel einer frühmodernen Radialstadt. Sie geht auf den Straßburger Festungsbauer Daniel Specklin, auch Speckle genannt, zurück. Dieser legte einer idealen Verteidigungsarchitektur die Kreisform zugrunde und entwickelte daraus die polygonale Radialstadt. Vom zentralen Marktplatz ausgehend führen gleich lange Radialstraßen zur Peripherie des zum Polygon (Vieleck) abgewandelten Kreises. Dort treffen sie abwechselnd auf die an den Ecken vorspringenden Bastionen und mitten auf die sie verbindenden Wallabschnitte (Kurtinen). Die Radialstraßen sind durch eine parallel zum Wall verlaufende Ringstraße miteinander verbunden.

Sehr wahrscheinlich war es der Stadtbaumeister Georg Ginther Kröl, der das Konzept Specklins in Glückstadt fortführte: Die Stadt wurde als Sechseck konzipiert. Zwei Eckbastionen im Südwesten sparte man aber aus. Von der südöstlichen Bastion (Erbprinz) zur nordwestlichen (Königin) durchteilt das 1621 angelegte Marktfleth die Anlage. Aufgrund der topographischen Gegebenheiten – das dem Fluss abgerungene Land war nur schwer zu bebauen – wurde jenseits des Flethverlaufs die Radialanlage in etwas abgewandelter Form wieder aufgenommen. Das zwischen Fleth und Reichenstraße entstandene Keilstück legt sich an das Hafenbecken und die Hafenzeile an. Hier entstand Das Neue Werk, die Neustadt.

Um 1644, als Glückstadt in voller Blüte stand, sind 550 Häuser mit 960 Haushalten und etwa 5.000 Einwohnern nachgewiesen. Glückstadt war innerhalb kürzester Zeit zur Lieblingsresidenz Christian IV. und zu einer der größten Städte des dänischen Reichs avanciert.

Glückstadt unter Belagerung

Belagerung 1627/28
Im 30jährigen Krieg wurden die Festungen Glückstadt und Krempe 1627/28 unter der Führung Wallensteins durch die Kaiserlichen Truppen belagert. Die Belagerung begann im September 1627. Um die Kommunikation zwischen den beiden Festungen zu unterbrechen, legten die Kaiserlichen Truppen entlang des alten Deiches zwischen Ivenfleth und Herzhorn eine Linie befestigter Lager an.

Der Versuch des Obristen Freiherr von Aldringen, mit 4. 000 Mann Glückstadt durch einen Handstreich zu erobern, wurde erfolgreich zurückgeschlagen. Die Belagerer verfügten über keine schwere Artillerie, die der Festung ernsthaft hätte Schaden zufügen können. Die belagerte Stadt hingegen wurde durch ein dänisches Flottengeschwader auf der Elbe unterstützt und erhielt ungehindert Nachschub auf dem Wasserwege.

Von großer Bedeutung für die Festung Glückstadt war der Kommandant Oberstleutnant Marquart Rantzau. Er baute die Festungswerke im Südosten aus und führte zwei Ausfälle gegen den Ring der Belagerer durch. Wenn es ihm auch nicht gelang, die feindliche Front zu durchbrechen und die Verbindung nach Krempe wiederherzustellen, so brachen doch die Kaiserlichen auf seine Aktion hin die förmliche Belagerung Glückstadts im September 1628 ab und fielen in den Zustand der bloßen Einschließung zurück. Im November 1628 zogen die Kaiserlichen Truppen endgültig ab, weil eine große Sturmflut die Marschen überflutete.

Die Bloquirung Krempen und Glückstadt, 1628 Kupferstich aus: Meßrelationen von Jacobus Francus (d. i. Conrad Memmius), Frankfurt/Main 1628

 

Die Belagerung von 1813/14
Nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig rückte die Nordarmee der Koalition unter dem schwedischen Kronprinzen Karl Johann nach Norden vor gegen Dänemark. Am 15. Dezember 1813 wurde ein Waffenstillstand geschlossen, von dem die Festungen Glückstadt und Friedrichsort ausgenommen blieben.

Zur Verteidigung der Festung Glückstadt wären mindestens 5.000 Mann erforderlich gewesen. Die Besatzung bestand jedoch nur aus knapp 2.000 Mann, zu denen vor der Einschließung noch einige kleine Abteilungen mit insgesamt 600 Mann hinzustießen. Am 18. Dezember 1813 besetzte eine schwedische Brigade Krempe und richtete dort das Hauptquartier der Belagerungstruppen ein (insgesamt rund 10.000 Mann Landstreitkräfte und rund 1.200 Mann Seestreitkräfte). Während die Belagerer ihre schwere Artillerie in Stellung brachten gab es Vorfeldkämpfe: Scheinangriffe der Belagerer, Ausfälle der Festungsbeatzung. Am 26. Dezember begann der Artilleriekampf.

Am Neujahrsmorgen 1814 setzte erneut eine Beschießung durch die verstärkten Belagerungsbatterien und durch die britischen Kriegsschiffe ein. Besonders heftig wurde sie am 2. Januar 1814. Glückstadt wurde mit Bomben, Granaten, Brandkugeln und Raketen überzogen, und in der Nacht vom 3. und 4. Januar ging ein Bombenhagel über Glückstadt nieder, das alles Bisherige übertraf. Nach Verhandlungen wurde am 5. Januar 1814 die Kapitulationsurkunde unterschrieben.

In der Altstadt findet man viele alte Häuser, in deren Fassaden Kanonenkugeln als Andenken an die Tage der Beschießung eingemauert sind. In den Anlagen wurde Anfang 1900 auf Anregung von Prof. Dr. S. D. Detlefsen zur Erinnerung an die Belagerung 1813/14 das Kugeldenkmal errichtet.

 

Die Eindeichung der Wildnisse

 

Die Eindeichung der Wildnisse Voraussetzung für die Gründung Glückstadts war die Eindeichung der nördlichen Königlichen, jetzt Blomeschen und der südlichen Gräflichen, jetzt Engelbrechtschen Wildnis 1615/16.

Erforderlich war gemeinsames Handeln der beiden Landesherren Christian IV., König von Dänemark und Herzog von Holstein und Ernst III., Graf von Schauenburg.

Graf Ernst ließ den Deichbau von seinen Bauern unter der Leitung der Beamten seiner Herrschaft Pinneberg durchführen. Nur zum Schleusenbau zog er den Deichbaumeister Johann Claussen Cooth heran. Man nannte ihn mit Beinamen Rollwagen, denn er hatte statt der Störten 8zweirädrige Sturzkarren) und Böhren (Tragbahren) einen einrädrigen Schubkarren in die Deicharbeit eingeführt.

König Christian beauftragte den Deichbaumeister Eggert Sperforke als Unternehmer. Mit 1400 Schiebkarren auf der königlichen und 600 auf der gräflichen Strecke wurde vom 12. März bis Ende August 1615 der 7 km lange Deich von Ivenfleth bis an das Herrenfeld errichtet. Noch gegen Jahresende riss eine Sturmflut den königlichen Neuendeich zu gut einem Viertel weg, so dass hier im folgenden Jahr erneut gedeicht werden musste.

 
Landkarte von 1601 Die noch nicht einge-deichten Schauen-burgischen Gebiete sind schraffiert, darüber nördlich liegen die königlichen Gebiete