Der Gemüsebau gehört untrennbar zu den Nachbargemeinden Glückstadts. Der schwere, fruchtbare Marschenboden erfordert zwar aufwendige Entwässerungsmaßnahmen, deren Geschichte dokumentiert wird, ermöglicht aber auch im Vergleich zur Geest ungleich bessere Ernten und höhere Erträge. Diese bildeten wiederum die Grundlage des bemerkenswert hohen Lebensstandards der Elbmarschenbauern, der im Museum in verschiedenen Abteilungen (Wohnkultur, Textilien) zum Ausdruck kommt. Zu sehen sind auch größere landwirtschaftliche Geräte, darunter auch ein stattlicher sechsspänniger Pflug von 1840. So entsteht das Bild des Gemüsebaus in all seinen Facetten.
Gemüseanbau heute
Schon bald nach 1630 sind rund um Glückstadt die ersten „Koolplanters“ nachgewiesen. Ihre Produkte schipperten die „Köhlker“ auf Rhinkähnen direkt zum Glückstädter Marktplatz. Das Gemüseanbaugebiet rund um Glückstadt ist von jeher eine Besonderheit gewesen. Boden, Klima und Lage sind besonders günstig. Der Boden besteht aus angeschwemmter Flußmarsch, auf dem das Gemüse besonders gut gedeiht. Das Klima wird durch die Elbe und die beiden Rhine stark beeinflußt. Das warme Wasser verdrängt die bodenkalte Luft, so daß Spätfröste selten auftreten. Durch die Lage östlich der Elbe ist ein wesentlich geringerer Schädlingsbefall als in anderen Gebieten zu verzeichnen, da die Schädlinge erst über die Elbe getragen werden müßten. Das bedeutet für die Gemüsebauern heute: geringerer Einsatz von chemischen Behandlungsmitteln als in anderen Bereichen. Rund 90 Prozent der Gemüsebauern bauen nach der Integrationsmethode an. Sie werden laufend von der Landwirtschaftskammer kontrolliert und bekommen ein Gütesiegel. Das heißt, daß die Produktion noch stärker im Einklang mit dem Boden und den natürlichen Gegebenheiten erfolgt. Die Düngung wird genau auf den Bedarf der jeweiligen Pflanze abgestimmt, um Auswaschungen ins Grundwasser zu vermeiden. Durch diesen integrierten Anbau wird eine naturnahe Produktion sichergestellt. Die Anbaupalette ist groß: Weiß-, Rot-, Wirsing- und Blumenkohl, Kartoffeln, Kohlrabi, Chinakohl und Sellerie sind die Hauptgemüsesorten. Aber auch Brokkoli, Porree, Rosenkohl, Zucchini, Tomaten, Gurken und zahlreiche Salatsorten finden sich in den Gewächshäusern rund um Glückstadt. Auf dem alljährlichen Blumen- und Gemüsemarkt werden diese Produkte präsentiert.
Landwirtschaftliche Begriffserklärung
Carriolen
Die Carriole war ein etwa 1750 bis 1850 gebräuchliches einachsiges Gefährt mit zwei großen Speichenrädern, gezogen von einem Pferd und gelenkt vom Sitz aus. Sie galt als ausgsprochen schnelles Fortbewegungsmittel. „Wie stark sich das rasche Fahren in der leichten „Karjool“ im Volksbewußtsein eingeprägt hat, beweist die Tatsache, daß das Wort „karjoolen“ – freilich in abwertender Bedeutung – häufig noch ganz geläufig ist“ (Arnold Lühning). Carriolen waren keine Alltagsfahrzeuge, sondern Luxusobjekte einer Oberschicht, ausgezeichnet durch die üppigen Schnitzereien und Farbfassungen an den Abschlußbrettern der Rückenlehnen des Sitzes. Schwerpunkte des Herkommens der in den Museen befindlichen Carriolen und Carriolenteile sind die reichen Marschgebiete beiderseits der Elbe, das „Alte Land“, die Seester, Wilster und Kremper Marsch sowie Dithmarschens.
Handschlitten
Zwei schöne barocke Handschlitten zeigen eine geglückte Verbindung zwischen Form und Funktion: Besonders der eine, farbig mit barocken Malereien einer Schlittenpartie versehen, zeugt davon, daß bei den reichen Bauern neben der harten Arbeit auch das Vergnügen nicht zu kurz kam.
Köhlkerkorb
Für den speziellen Bedarf der Köhlker angefertigt, faßte 50 Pfund Kartoffeln, vielseitig einsetzbar zum Transport und zur kurzfristigen Lagerung aller Kohl- und Gemüsesorten. Wegen ihrer länglichen Form konnen zwei Köhlkerkörbe gut mit der Dracht (Schul-terjoch) getragen werden. Köhlkerfrauen trugen oft ihre Erzeugnisse so in die Stadt zum Verkauf auf dem Buttermarkt oder zur Anlieferung bei bestimmten Kunden. In den Korbmachereien in Glückstadt und Umgegend wurden die Köhlkerkörbe in großer Zahl aus Korbweiden (Kneden) hergestellt.
Köhlker/Körger = Gemüsebauer Kartoffelkiste
Gegen Ende des Winters wurden die Pflanzkartoffeln in einer Schicht so in die Kartoffelkisten gelegt, daß möglichst viele „Augen“ nach oben gerichtet waren. Die Kisten wurden dann in einem nicht zu hellen, kühlen doch frostfreien Raum aufeinander gestapelt. Die Kartoffeln trieben „Keime“ (Kiens) aus. Sie wurden vorgekeimt. Um Mitte April wurden die Frühkartoffeln gepflanzt (Kantüffelplanten). Sie wurden sorgfältig von Hand in die mit dem Ascher in Reihen angelegten Pflanzlöcher gesetzt, die Keime mit feinzerbröselter Erde behutsam abgedeckt und das Pflanzloch zugerakt. Hierzu rutschte der/die Pflanzer/-in auf den Knien zwischen zwei Reihen vorwärts und schleppte die Kiste mit den Pflanzkartoffeln hinter sich her. Bei der Ernte um Mitte Juni grub ein Mann die „Bulten“ mit dem Spaten auf, und die Sammler/-innen rutschten wieder auf den Knien über den Acker und sammelten die Kartoffeln in die Kisten, die sie wiederum hinter sich herschleiften.
Zur Rethdachdeckerei
Der Dachstuhl, Dackstohl, auch Deckerstohl, wird mit den beiden gekrümmten Eisen in das Dach eingehakt. Auf ihm steht der Decker bei der Arbeit. Die Dachnadel wird beim Durchnähen des Rethdaches gebraucht. Der Decker fädelt das Reep (Lockreep, Kokosfaser) oder in neuerer Zeit den Draht in die Öse und stößt die Nadel dann durch die Rehtlage. Der auf der Innsenseite des Daches befindliche Gehilfe führt das Reep / den Draht um die Latte. Auf dessen Zuruf zieht dann der Decker die Nadel wieder heraus und stößt sie an einer anderen Stelle durch. Darauf fädelt der Gehilfe das Reep / den Draht wieder ein und fordert den Decker auf, die Nadel herauszuziehen. Bei der Arbeit mit der kummen Dachnadel ist ein Gehilfe nicht nötig. Die Heidfast ist der ursprünglich aus Heidesoden hergestellte Dachfirst des alten Rethdachhauses. Die Heidesoden wurden mit Dachpflöcken festgesteckt. Die Bezeichnung Heidfast blieb erhalten und ist auch bei Verwendung anderer, moderner Materialien zur Firstabdeckung gebräuchlich. Hingklauen heißen die beiden Hölzer, die an jedem Dachende des Rethdachhauses angebracht sind, um den First zusammenzuhalten. Die freien Enden der Hingklauen sind oft als Pferdeköpfe, Tulpenmuster oder andere Verzierungen gestaltet.
Die Viehscheune, ein Fachhallenhaus
Das Modell der Viehscheune veranschaulicht den in den Elbmarschen überlieferten Typ des Fachhallenhauses. Durch das ganze Haus zieht sich von der Grotdör bis zur gegenüberliegenden Schmalseite die große Diele = Grotdeel hin: An den rechten beiden Längsseiten stehen die Hauptständer = Höftständer, mächtige Balken als Hauptstützen des Bauernhauses, auf denen der Dachstuhl ruht. Die Hauptständer tragen die Höftbalken. Sie verbinden die Köpfe je eines Ständerpaares quer über die Diele und bilden die Basen der Sparrendreiecke. Zwei Ständerpaare mit darauf ruhenden Sparrendreiecken bilden ein Fach. In Verlängerung der Sparren sind die Stallsparren angelegt. Sie ruhen auf den Außenmauern. Zu beiden Seiten der Diele befinden sich die Viehställe. Der Boden darüber heißt Hill. Die frühere Bezeichnung des Fachhallenhauses als Niedersachsenhaus ist nicht mehr gebräuchlich, denn der Haustyp ist weder geografisch noch ethnologisch niedersächsisch bestimmt.
Donnerstag, Sonnabend und Sonntag
14 bis 17 Uhr
Dienstag bis Sonntag
14 bis 17 Uhr
Dienstag bis Donnerstag
9 bis 12 Uhr